Die "Alte Börse" als erstes Verwaltungsgebäude des Frankfurter Jugendamtes




Das am 3. Juni 1914 gegründete Frankfurter Jugendamt nahm seinen ersten "Sitz" in der "Alten Börse", die im 2. Weltkrieg zerstört und danach nicht wieder aufgebaut wurde. Die "Alte Börse" befand sich direkt neben der Paulskirche. Im Schatten der Demokratiebewegung (Paulskirche 1848) geriet damit schon damals die reformpädagogische Institution "Jugendamt" in Frankfurt a.M. zumindest räumlich in die Nähe wirtschaftlicher Überlegungen. Ein interessanter historischer Zusammenhang für unsere heutigen Debatten zum Thema Soziale Arbeit versus Ökonomie !? Die Abbildung zeigt das Gebäude um 1890.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Krieg und Jugendverwahrlosung



Ein Bericht aus der Arbeit des Jugendamtes, erstattet nach dem Stand vom Juli 1940
(Anlage des Schreibens des Generalstaatsanwaltes Frankfurt a.M. an den Reichsminister der Justiz in Berlin vom 3.8.1940, in: BA Berlin R22/3364 Seite 27-30)

Die Zunahme der Jugendverwahrlosung während der Kriegsjahre 1914/18 und während der Nachkriegszeit ist in jedermanns Erinnerung. Das Jugendamt Frankfurt (Main) hat, um Ähnliches zu vermeiden, sein besonderes Augenmerk auf Erfassung und Bekämpfung der Jugendgefährdungstatbestände gerichtet. Das Jugendamt hat seit September 1939 zahlreiche Feststellungen getroffen, nach denen Jugendgefährdung und Jugendverwahrlosung in erheblicher Zunahme begriffen sind. Eine ähnliche Feststellung trifft der Herrn Generalstaatsanwalt über die sittliche Haltung und charakterliche Veranlagung von Jugendlichen und halbwüchsigen Straffälligen. Wenn nachstehend über Ursachen und Erscheinungsform der Jugendgefährdung berichtet wird, so stimmen diese Angaben im wesentlichen mit Feststellungen anderer großstädtischer Jugendämter durchaus überein. Dies ergibt sich zum Teil aus den Jugendamtsberichten für 1939, ganz besonders aber aus Verhandlungen im Wohlfahrtsausschuß des Deutschen Gemeindetages, wo wiederholt Gegenmaßnahmen von Reichs wegen gefordert wurden. Solche sind getroffen
· durch Erlass des RMdJ. vom 18.09.1939. Hier wird den Gesundheitsbehörden aufgegeben, Tanzlokale und ihre Besucher, namentlich sogenannte Eintänzerinnen, Tischdamen, Barmädchen ohne Rücksicht auf vorhandene Geschlechtskrankheit dauernd in Überwachung zu nehmen. Gleichzeitig werden Jugendämter angewiesen, gemeinschaftlich mit HJ und NSV–Jugendhilfe sowie mit den Pflegeämtern in laufender Folge Streifen zur Ermittlung gefährdeter Jugendlicher zu veranstalten,
· durch Erlass des RMdJ. vom 15.11.1939 über Fernhaltung Jugendlicher von öffentlichen Schieß- und Spieleinrichtungen. Hier wird auf die Notwendigkeit verwiesen, Jugendliche, die zwar nicht straffällig aber doch gefährdet sind, zu ermitteln und sie von Orten fernzuhalten, an denen Jugendgefährdung erfahrungsgemäß leicht eintritt,
· durch die Polizeiverordnung zum Schutze der Jugend, deren Inhalt als bekannt vorausgesetzt werden darf und namentlich auch ein Vorgehen gegen die Erziehungsberechtigten ermöglicht,
· durch Schaffung eines Jugendschutzlagers durch das Reichssicherheitshauptamt zur Unterbringung gemeinschaftsschädlicher Minderjähriger.

Die Ursachen einer Zunahme von Verwahrlosungserscheinungen an der Jugend sind folgende:
· Mangel der Aufsicht der Eltern oder der Erziehungsberechtigten infolge der Einberufung des Vaters oder wegen Berufstätigkeit beider Eltern.
· Die Verdunkelungsmaßnahmen.
· Dauernde zusätzliche Belegung der Vororte und der Umgebung von Frankfurt mit Truppen.
· Die Tatsache, dass der Bahnhof von Frankfurt (Main) als Umsteigestelle für Militärpersonen dient, die eine Verstärkung der Besucherschaft der verschiedenen Vergnügungsstätten stellen.
· Unfähigkeit und Gleichgültigkeit der Erziehungsberechtigten gegenüber ihren Erzieherpflichten.
Das Zusammenwirken dieser Ursachen spiegelt sich in der Gefährdetenarbeit des Jugendamtes. Im Rechnungsjahr 1939 ist eine erhebliche Zunahme der Anträge auf Fürsorgeerziehung, aber auch der Straffälligkeit und der Fälle von Aberkennung des Personensorgerechts nach § 1666 BGB. zu verzeichnen. Auch die sonstigen vom Jugendamt eingeleiteten Erziehungsmaßnahmen, z.B. Verwarnungen, anderweitige Unterbringung, befinden sich in erheblicher Zunahme.
Die Fälle der sogenannten vorbeugenden Fürsorgeerziehung nach § 63 Ziffer 1 des RJWG. wegen drohender Verwahrlosung haben sich im Rechnungsjahr 1939 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Sie betrugen 67 gegenüber 30 i.Vj. Dazu tritt die Zahl der wegen bereits eingetretener Verwahrlosung nach § 63 Ziffer 2 RJWG. in Fürsorgeerziehung Überwiesener. 1939 mussten 209 Anträge gestellt werden, während 1938 nur 136 Anträge notwendig waren. Die Zahl der wegen bereits eingetretener Verwahrlosung in Fürsorgeerziehung überwiesenen Jugendlichen hat den Höchststand innerhalb der letzten 10 Jahre erreicht. Die Zahlen der Überweisungen in Fürsorgeerziehung müssen ergänzt werden durch diejenigen Fälle, in denen das Jugendamt die anderweitige Unterbringung als Maßnahme der Erziehungs- und Erwerbsbefähigung nach § 6 R.G.S. anordnen musste. Im Rechnungsjahr 1939 mussten 65 anderweitige Unterbringungen erfolgen. Insgesamt also waren in der Zeit vom 1.4.1939 – 1.4.1940 385 Fälle zu verzeichnen, in denen der schwerste Eingriff in die Elternrechte, die sogenannte Fremderziehung einsetzen musste. Für den kurzen Zeitraum vom 1.4.40 bis 10.07.1940 ergibt sich die erhebliche Zahl von 118 solcher Unterbringungen, sodass für das laufende Rechnungsjahr mit über 400 Anträgen mit Sicherheit zu rechnen ist.
Im Berichtszeitraum hatte das Jugendamt in 247 Fällen außerdem sogenannte Gerichtshilfeberichte an das Jugendamt zu erstatten. Es wäre verfehlt, wollte man aus der Zahl der Bestrafungen (1939: 125) einen Schluß auf die tatsächlich durch Jugendliche begangenen strafbaren Handlungen ziehen. Die 1939 erlassene Amnestie hat sich auf alle strafbaren Handlungen erstreckt, zu deren Ahndung voraussichtlich nicht mehr als 6 Monate Gefängnis ausgesprochen wurden. Es ist selbstverständlich, dass eine erhebliche Anzahl strafbarer Handlungen Jugendlicher unter die Amnestie fielen und damit aus dem Zahlenbild ausscheiden.
Vergleicht man aber die strafbaren Handlungen hinsichtlich ihrer Schwere und hinsichtlich der zu Tage getretenen Gesinnung der Jugendlichen mit den Straftaten früherer Jahre, so ergibt sich ein besonders ungünstiges Bild. Auf 14 Sittlichkeitsverbrechen im Rechnungsjahr 1939 kamen 2 im Rechnungsjahr 1938. 1939 standen 4 Fälle von Straßenraub zur Aburteilung, während 1938 kein Fall verzeichnet wurde. 1939 wurden 13 Fälle von schwerem Diebstahl gegenüber 9 Fällen 1938 gezählt. Das Bild läge wesentlich ungünstiger, wollte man die vorstehenden Zahlen, die sich lediglich auf Straftaten 14- bis 18-Jähriger beziehen, auf die der sogenannten Halbwüchsigen zwischen 18 und 21 Jahren ausdehnen. Der Herr Generalstaatsanwalt hat festgestellt, dass unter dem Schutze der Verdunkelung begangene Verbrechen unter ungewöhnlich hoher Beteiligung von Halbwüchsigen begangen wurden und dass in mehreren Fällen durch Verurteilung, selbst zu mehrjähriger Zuchthausstrafe, bei halbwüchsigen Angeklagten keinerlei sichtbarer Eindruck erzielt wurde. Der Herr Generalstaatsanwalt spricht die Vermutung aus, dass solche halbwüchsigen Angeklagten leichter eine entehrende Zuchthausstrafe auf sich nehmen, als ihrer soldatischen Pflicht genügen.

Im Vollzug der Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes zur Unterbringung gemeinschaftsschädlicher Minderjähriger in Jugendschutzlager hat sich das Jugendamt gutachtlich zu äußern. Obwohl die einschlägigen Maßnahmen erst seit ganz kurzer Zeit betrieben werden, hat das Jugendamt bereits in drei Fällen infolge Unerziehbarkeit, um nicht zu sagen Verdorbenheit, Minderjähriger festgestellt und sich für entsprechende Unterbringung ausgesprochen.
Die vorstehenden Zahlen geben nur ein äußeres Bild von der Zunahme der Jugendverwahrlosung. Es muss ergänzt werden durch die Wahrnehmungen über die innere Haltung sowohl der verwahrlosten Jugendlichen wie der Erziehungsberechtigten.
Zur Kennzeichnung mögen folgende Einzelfälle dienen:
5 Jugendliche im Alter von 14 – 17 Jahren, sämtlich Angehörige der Hitlerjugend, locken ein 14-jähriges Mädchen in eine Mansarde. Zwei von ihnen gebrauchen das Mädchen unter Gewaltanwendung geschlechtlich, während die anderen drei Hilfestellung leisten. Als das Mädchen ohnmächtig zu werden droht, äußert ein 15jähriger: „Ich glaube, sie ist tot.“ Bei der Vernehmung sucht sich der Älteste, ein 17jähriger, durch übles Leugnen der Verantwortung als Anstifter zu entziehen.
Zwei 15jährige und ein 13jähriger Junge begehen mehrere Taschendiebstähle mit planmäßiger Verteilung der Rollen.
Neun Jungen im Alter von 15 – 17 Jahren begehen unter Führung eines 18jährigen planmäßig Straßenraub an Juden unter Ausnützung der Dunkelheit und unter Verteilung der Rollen. 5 Fälle wurden nachgewiesen. Bei 3 weiteren konnte die Täterschaft nicht festgestellt werden.
In 2 Fällen sind 13- und 14jährige Mädchen in den Unterständen der Soldaten ein- und ausgegangen und wurden von verschiedenen Soldaten geschlechtlich gebraucht.
6 Kinder im Alter von 3 – 10 Jahren sind körperlich derart verwahrlost, dass die 4 älteren von ihren Mitschülern wegen übler Ausdünstung gemieden werden und deshalb wiederholt der Schule fernbleiben.
7 Kinder im Alter von 2 – 12 Jahren sind so hochgradig verwahrlost, dass sie den Ekel der Umwelt erregen. Beide Eltern sind zur Erziehung völlig unfähig und uneinsichtig.
Eine uneheliche Mutter mit 7 Kindern im Alter von 1 – 13 Jahren duldet seit geraumer Zeit den Geschlechtsverkehr des 70jährigen im Haushalt lebenden Erzeugers mit den 11- und 13jährigen Töchtern.
Die Berufs- und Volksschulen melden in zunehmendem Umfange Schulschwänzereien, die auf mangelnde elterliche Aufsicht zurückgehen. Auch übertriebene Ängstlichkeit wegen des Gesundheitszustandes der Kinder nach nächtlichem Fliegeralarm veranlasst die Eltern, ihre Kinder nicht in die Schule zu schicken.
10 Polizeistreifen in Verbindung mit dem Jugendamt führten zur Ermittlung von jeweils 8 Jugendlichen unter 18 Jahren, die gegen die Jugendschutzverordnung verstoßen haben. Die Tagesstreifen des Jugendamtes führen zur Ermittlung von Schulschwänzern und in mehreren Fällen von jugendlichen Warenhausdieben.
Besonders schwerwiegend sind die Ermittlungen über 2 Jugendklubs, deren Mitglieder im wesentlichen aus 14 – 20jährigen Jugendlichen beiderlei Geschlechts, höheren Schülern und Lyzeumschülerinnen bestehen und die den sogenannten besseren Ständen angehören. Ein ähnlicher Jugendklub ist übrigens gleichzeitig in Hamburg aufgedeckt worden.
Als Angehöriger des sogenannten Haarlem-Klubs und des „C.K. Gang-Klubs“ wurden insgesamt bisher 88 Mädchen und 72 männliche Jugendliche ermittelt. Während die Ermittlungen über die männlichen Teilnehmer noch nicht abgeschlossen sind, wurden für die Mädchen folgende Erziehungsmaßnahmen notwendig:
15 Mädchen wurden anderweitig auf Kosten der Eltern untergebracht. 1 Mädchen kam in Fürsorgeerziehung, 1 Mädchen musste einem K.Z. überwiesen werden. 2 Mädchen waren geschlechtskrank und 2 wurden der Überwachung der Gesundheitsbehörde überwiesen. Alle übrigen wurden verwarnt.
Die Vernehmung ergab folgendes Bild: Obwohl der Haarlem-Klub 1939 schon von der Polizei aufgelöst wurde, bestand er weiter. Eine Satzung war nicht vorhanden, vielmehr handelt es sich um eine lose Verbindung zu dem Zwecke der Pflege gemeinsamer Interessen, die auf Schlagermusik, auf englische Schallplatten, auf Tanz und Kaffeehausbesuch gerichtet waren. Dem entsprach es, dass die Jugendlichen sich in ihrer Kleidung auffallend gebärdeten. Mehrere Vernommene äußersten, der Klub sei „politisch absolut uninteressant“. Die Mitglieder gehören, bis auf wenige Ausnahmen, der H.J., dem BDM., oder sonstigen Gliederungen an. Die Zusammenkünfte fanden statt in mehreren Kaffee’s, Bars und Eisdielen. Nachweis über Verfehlungen nach § 175 StrGB. fehlt. Dagegen wurde wahlloser Geschlechtsverkehr begünstigt. Dieser fand statt teils im Freien, teils in Kaffee’s, teils aus Anlass von „Hausbällen“. Auch eine Skihütte in Oberreifenberg war der Schauplatz. Die Hausbälle fanden in der Villa der Eltern eines Beteiligten statt an Abenden, an denen die Eltern ausgegangen oder verreist waren. Es gab zweierlei Einladungen, eine zum Vorzeigen bei den Eltern, eine für die Beteiligten, die in einem Falle lautete: „Herren erscheinen in der Badehose, Damen: oben nichts, unten nichts, in der Mitte Hohlsaum“. Es gab auch Spirituosen und es ist festgestellt, dass die Paare in den einzelnen Zimmern verschwanden und sich einschließen ließen.
Ein Teil der Jugendlichen verfügte über ein ungewöhnlich hohes Taschengeld. Dies hat andere verleitet, sich Mittel auf unlautere Weise zu verschaffen. Die Jugendlichen lümmelten stundenlang bereits am Vormittag in Kaffee’s herum. In einem Fall wurden unzüchtige Schriften (mit Schreibmaschine vervielfältigt) verbreitet, die Zoten und üble Schweinereien enthielten.
Ein Teil der vernommenen Mädchen zeichnet sich durch völlige Unempfindlichkeit und Schamlosigkeit aus. Bei der Vernehmung wird zugegeben, dass nicht etwa gefühlsmäßige Bindungen zu den Jugendlichen zum Geschlechtsverkehr führen, sondern dass wechselnder Geschlechtsverkehr ohne weiteres hingenommen wurde, „weil kein anderer da war“. Eine 16jährige gibt ohne weiteres gleichzeitigen Geschlechtsverkehr mit 5 Jungen zu. Eine 16 ½jährige betont, nicht defloriert zu sein, während ihr Partner zugibt, dass es zu allem sonstigen, nur nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Ein Mädchen gibt zu, im Kaffee Hippodrom in einer Nische Verkehr gehabt zu haben. Es besuchte einen Jugendlichen unter der Bedingung, dass die Großmutter in der Wohnung sei, ging in das Zimmer, wo sich das Bild einer nackten Frau befand und fragte, ob das die Großmutter sei. Ein 13jähriges Mädchen äußert sich über unsittliche Berührungen durch einen 17jährigen Freund in schamlosester Weise. Ein 17jähriges Mädchen gibt an, im Anschluss an eine Veranstaltung von „Glaube und Schönheit“ noch ausgegangen zu sein und bemerkt: „Ich war so besoffen, dass ich geschleift wurde, lediglich deshalb ist es nicht zum Geschlechtsverkehr gekommen“.
Die Eltern haben nach den bisherigen Ermittlungen vielfach in unerhörter Weise gegen ihre Aufsichtspflicht verstoßen. Es muss als erziehungswidrig bezeichnet werden, Jugendlichen ein Taschengeld von 50,--, 80,-- und 100,-- RM. mtl. zu gewähren. Ein Vater, dessen 16jährige Tochter vernommen wurde, war bereits vor einiger Zeit gewarnt worden, weil seine Tochter mit einem geschlechtskranken 15jährigen Mädchen, der Tochter einer Dirne, eng befreundet war. Dieser Vater hat nicht verhindern können, dass die Tochter kurz darauf in der eigenen Wohnung einen Jugendlichen zum Geschlechtsverkehr empfing. Die Mutter hielt sich während dieser Zeit im Nebenzimmer auf.
Der Vater eines 14jährigen Mädchens wurde gefragt, ob er Strafantrag gegen den Jugendlichen stellen wird, der unsittliche Handlungen an seiner Tochter vorgenommen habe, was er ablehnte.
In mehreren Fällen haben Erziehungsberechtigte Maßnahmen, die im wohlverstandenen Interesse der Jugendlichen vom Jugendamt getroffen wurden, zu verhindern oder zu durchkreuzen versucht.
Schlechte häusliche Verhältnisse (Unfrieden oder Entfremdung zwischen den Ehegatten) haben in zahlreichen Fällen ein Abgleiten der Jugendlichen begünstigt.
In einzelnen Fällen ist es zu regelwidrigem Geschlechtsverkehr gekommen.
Die bisherigen Vernehmungen der männlichen Mitglieder des Haarlem-Klubs ergaben ein ähnliches Bild wie die Vernehmung der Mädchen.
Nicht nur die Haarlem-Sache, sondern die Arbeit des Jugendamts überhaupt lässt eine erschreckende Abstumpfung in geschlechtlichen Dingen erkennen. Geschlechtsverkehr mehrerer Paare in einem Zimmer oder die Beweggründe des Geschlechtsverkehrs im einzelnen offenbaren einen sogenannten „Zynismus“. Die Jugendlichen sind überheblich und nicht selten von einer bodenlosen Frechheit bei der Vernehmung. 12jährige offenbaren die Frühreife von 16jährigen und 16jährige stehen vielfach auf dem Reifezustand von 21jährigen.
Die Gegenmaßnahmen: Frühe Erfassung und nach Möglichkeit restlose Ermittlung der Jugendverwahrlosung und Gefährdung ist erforderlich, um die vorbezeichneten Zustände zu bekämpfen. Das Jugendamt steht in dauernder und enger Zusammenarbeit mit Kriminalpolizei, weiblicher Polizei, Hitlerjugend und NSV-Jugendhilfe. In Verfolgung dieser Zusammenarbeit bestehen Abmachungen über gemeinsame Abhaltung von Streifen und über die Überwachung sämtlicher Lichtspielhäuser. Jugendamt und Polizei tauschen ihre Fahndungsergebnisse aus. Auch mit den Heeresstreifen der Standortverwaltung wurde erfolgreich zusammengearbeitet. Das Jugendamt hat seine Abteilung „Gefährdetenfürsorge“ verstärkt und empfindet die Vereinigung der 3 Sozialämter – Stadtgesundheitsamt, Fürsorgeamt und Jugendamt – unter einem Amtsleiter als wesentliche Erleichterung der Arbeit. Magistratsrat Dr. Prestel ist zum Sonderbeauftragten der H.J. für Streifendienst bestellt. Das Jugendamt spricht in allen Fällen, auch dann, wenn eine Maßnahme noch nicht erforderlich ist, den Erziehungsberechtigten eine Verwarnung aus und ermahnt sie, ihren Pflichten besser nachzukommen. Der stellvertretende Kreisamtsleiter wird in seiner Eigenschaft als Beiratsmitglied ständig über alle wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unterrichtet.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Es ist vollbracht: Dr. phil. Harry Hubert